IM INTERVIEW MIT DEN KONFIS

Am liebsten bereise ich den Nahen Osten: Libanon, Jordanien, Israel, Palästina, Ägypten, Syrien.

Pfarrerin-Sein ist für mich eine Berufung. Auch wenn ich aktuell Teilzeit arbeite und manchmal leider nicht rund um die Uhr „im Job“ sein kann, weil meine Familie mich braucht, ist Pfarrerin-Sein für mich mehr als ein Job. Was die Aufgaben betrifft, denken die meisten natürlich sofort an Gottesdienste. Klar, Gottesdienste sind eine meiner Kernaufgaben. Dazu gehört aber auch, Menschen in verschiedenen Lebenssituationen (rund um die Gottesdienste) zu begleiten (Taufkinder oder -erwachsene, Konfirmand:innen, Ehepaare, Trauernde, Sterbende, Kranke, Einsame u.v.m.). Weitere wichtige Aufgaben sind der Reliunterricht in der Grundschule, die Gewinnung, Befähigung und Begleitung von ehrenamtlich Engagierten in der Gemeinde, zusammen mit dem Kirchenvorstand die Leitung der Gemeinde und auch gemeinsam mit den Sekretärinnen und dem Kirchenvorstand die Verwaltung, schließlich: von Gott erzählen, wo immer ich bin, über Gott nachdenken, mit Gott in Verbindung bleiben, für andere beten, flehen, klagen, danken.

Eine kindliche Gewissheit, dass es da einen Gott gibt, hatte ich schon sehr früh. Wir haben abends immer am Bett gebetet. Als Konfirmandin habe ich dann erstmal eine tiefe Verbindung zu Gott gespürt.

Das Gebet Jesu im Garten Gethsemane kurz vor seiner Gefangenname. In der Situation größter Angst und Unsicherheit bittet Jesus seinen Vater: „Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ (Lukas 22,41)

Das zeigt: Auch Jesus hatte Angst und das Beten bitter nötig. Und: Er hat sich ganz darauf verlassen, dass Gottes Wille richtig und gerecht ist und hat sein eigenes Wollen der göttlichen Vor-Sicht vertrauensvoll untergeordnet.

Ich habe drei nicht-biblische Lieblingsgebete:

1.      Von Dietrich Bonhoeffer im Gefängnis für seine Mitinsassen verfasst, am Weihnachtsmorgen 1943

Gott, zu Dir rufe ich in der Frühe des Tages.

Hilf mir beten und meine Gedanken sammeln zu Dir;

ich kann es nicht allein.

In mir ist es finster, aber bei Dir ist das Licht;

ich bin einsam, aber Du verlässt mich nicht;

ich bin kleinmütig, aber bei Dir ist die Hilfe;

ich bin unruhig, aber bei Dir ist der Friede;

in mir ist Bitterkeit, aber bei Dir ist die Geduld;

ich verstehe Deine Wege nicht, aber Du weißt den Weg für mich.

2.      Luthers Abendsegen:

Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, daß du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast, und bitte dich, du wollest mir vergeben alle meine Sünde, wo ich Unrecht getan habe, und mich diese Nacht auch gnädiglich behüten. Denn ich befehle mich, meinen Leib und Seele und alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, daß der böse Feind keine Macht an mir finde.

3.      Ich liebe ganz allgemein die Gebete von der katholischen Theologin Jacqueline Keune:

Eine Kostprobe:

Hier bin ich,

Gott,

vor dir.

Nicht MEHR möcht ich sein,

als du mich geträumt,

und nicht weniger,

als du mich gedacht hast.

Nicht allein nach Geltung lass suchen mich,

sondern auch nach Wahrhaftigkeit –

meiner Worte, meines Tuns.

Nicht bloß nach Ansehen,

sondern auch nach Offenheit im Zeigen meiner selbst.

Aufrecht lass mich stehen,

und beugsam mich sein,

mir meiner Größe und meiner Grenze bewusst.

Hier bin ich,

Gott,

vor dir.

Nicht MEHR möcht ich sein,

als du mich geträumt,

und nicht weniger,

als du mich gedacht hast.

Aus:  Von Bedenken und Zusagen. Texte für liturgische Feiern. Mainz, 2004, S. 25.

Ich bin als Christin geboren, ebenso wie meine Kinder. Sie wurden beide im ersten Lebensjahr getauft. Ich kann ihnen keinen anderen Glauben näherbringen, als den, den ich selbst lebe. Also ja, ich „erziehe“ meine Kinder christlich. D.h. ich ermögliche ihnen das Kennenlernen christlicher Rituale und Traditionen, ich erzähle ihnen die Geschichten der Bibel, ich singe mit ihnen die Lieder des Kirchenjahres. Ich erkläre ihnen aber auch, dass es andere Religionen und Glaubensweisen gibt. Wenn meine Kinder irgendwann entscheiden, eine andere Religion für sich und ihr Leben schlüssiger und tragfähiger zu finden oder ohne Religion leben zu wollen, so werde ich sie auch darin unterstützen. Natürlich würde ich mir wünschen, dass Sie immer in Beziehung zu Gott leben. Wie diese Beziehung aussieht, möchte ich ganz ihnen überlassen.

Hauptsächlich Romane aller Art. Sie sind für mich das Tor zum Leben anderer Menschen – zu ihren Problemen, Freuden, Erfahrungen. Durch Romane lerne ich das Leben in viel größerer Bandbreite kennen. Ich lerne, mich in die Situationen anderer Menschen hineinzuversetzen, Handlungen nachzuvollziehen und mitzufühlen. Das ist mir für mein eigenes Leben und für meinen Beruf ganz wichtig. Ich bin also Dauerkundin im Eulenspiegel.

Ich wohne mit meinem Mann und meinen beiden Kindern im Pfarrhaus der Gemeinde in Hochheim.

Ich erlebe in der Begleitung unterschiedlicher Menschen ständig sehr viel Interessantes. Z.B. habe ich kürzlich von euch Konfis erfahren, wie schwer die Corona-Zeit für euch Kinder und Jugendliche war. Ich lerne Menschen kennen, die ich normalerweise in meinem privaten Lebensradius nicht auftauchen. Pfarrerin-Sein bedeutet immer: das ganze Leben zu feiern, mit allem, was dazu gehört. Das ist wirklich spannend!

Ich glaube, ich wollte mal Astronautin werden. Aber wer wollte das nicht?

Angefangen habe ich 2018 als Vikarin, also Pfarrerin in der praktischen Ausbildung, in der Gemeinde Mainz-Gonsenheim. 2021 bin ich in Hochheim dann meine erste richtige Stelle als Pfarrerin angetreten.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich für spektakuläre Kirchen gar nicht so viel übrig. Ich weiß noch, wie ich als 16-Jährige im Petersdom im Vatikan stand und dachte: Ich kann Gott hier gar nicht gut finden, da ist mir zu viel „im Weg“. Ich habe es lieber schlicht. Beeindruckend fand ich das Kloster Mar Antonios Quzhaya im Qadisha Valley im Libanon.

Als ich 13/14 Jahre alt war, stand der Entschluss fest: Ich will Theologie studieren. Da war ich gerade Konfirmandin. Damals wollte ich einfach mehr über Gott wissen, weil ich alles rund um Gott sehr faszinierend und anziehend fand und tausende Fragen hatte. Später wurde es mir immer wichtiger, nicht nur Gott „dort oben“, sondern auch die Menschen besser kennenzulernen, die ja alle auf ganz unterschiedliche Weise etwas von Gott in dieser Welt widerspiegeln. Menschen in schönen und schwierigen Lebenssituationen zu begleiten und in diesen Situationen um Gottes Segen zu bitten, das ist heute mein größtes Anliegen als Pfarrerin.