Wort zum Sonntag vom 08.03.2024

Nachspüren

Im meinem Fasten-Wegweiser „wandeln“ von Andere Zeiten kann ich der Einleitung entnehmen, dass es den Fastenden um das Nachspüren geht. Nachspüren, wie ich meine Beziehung zu mir selbst und zu Gott gestalte. Nachspüren, was mir wichtig ist in meinem Leben. Gleich an Aschermittwoch bekomme ich in einem Text von Fulbert Steffensky noch einen konkreten Vorschlag, in welche Richtung ich nachspüren könnte. Es ist der Satzteil: "... der Schmerz darüber was man im Leben verraten hat und was man dem Leben schuldig geblieben ist." Das geht mir nun seit Aschermittwoch nicht aus dem Kopf. Ich bin mir sicher, dass ich Gott nichts schuldig geblieben bin. Gott denke und fühle ich dabei nicht männlich oder weiblich personifiziert. Meine Beziehung zu Gott ist lebendig und nicht abhängig von schlechten oder guten Lebensphasen. Ich wende mich Gott zu, wenn mir danach ist und vertraue darauf, dass Gott sowieso niemals abwesend ist. Ich gebe meiner Dankbarkeit für Gottes Gegenwart am ehesten in solchen Momenten Ausdruck, in denen ich bis ins Mark durchlässig bin. Das kann im Alltag ein Sekundenmoment sein. Außerhalb des turbulenten Alltags koste ich einen solchen Moment eine Weile aus. Das wäre also schon mal geklärt.

Doch bin ich dem Leben etwas schuldig geblieben? Meinem Leben, um genau zu sein? Bin ich mir selbst bisher etwas schuldig geblieben? Gibt es da einen Schmerz, der darauf hinweist? Wenn ich an dieser Stelle nachspüre, werde ich gewahr, dass ich diesen bestimmten Schmerz kenne. Er hat mir schon einige Male als Retter zur Seite gestanden. Wenn er nämlich unerträglich zu werden drohte, bin ich in Bewegung gekommen und habe etwas in meinem Leben verändert, so dass ich mich in meinem eigenen Leben wieder heimisch fühlen und mir meiner eigenen Würde bewusst werden konnte. Dazu war es notwendig, mir zu erlauben, selbstfürsorglich zu handeln und nicht fremdbestimmt und mich verbiegend angepasst an die Bedürfnisse anderer Menschen. Das bedeutet nicht, dass ich rücksichtslos gegen andere bin. Doch recht machen kann ich es sowieso nicht jedem.

Ich richte mich also an meinem Eigen-Sinn, meinen Talenten (die sind schließlich ein Gottesgeschenk, denn ich bin wunderbar gemacht; Psalm 139) und meinem Wohlbefinden (dafür bin ich selbst verantwortlich) aus. So bin ich nach und nach die geworden, die ich bin. Das bedeutet, dass ich darauf achte, was mir guttut und was mir nicht guttut. Wahrscheinlich ist mir das das Wichtigste geworden in meinem Leben: wenn ich darauf achte, dass es mir gut geht, bin ich auch in der Lage, mich in Gemeinschaft, egal ob in meiner Familie oder mit Freunden oder im Beruf oder noch anderen Gemeinschaften, wohl zu fühlen und die Anteile von mir einzubringen, die sowohl mir als auch den anderen zuträglich sind.

In diesem Moment kann ich mit aller Wahrhaftigkeit sagen: ich bin meinem Leben bis heute nichts schuldig geblieben.

Bianca Ferse, Evangelische Kirchengemeinde Hochheim